Risikoadjustierung

Das WIdO entwickelt Verfahren der Risikoadjustierung mittels Routinedaten für den Vergleich von Versorgungseinrichtungen oder Therapien. Risikoadjustierung bedeutet, dass patientenbezogene Risiken beim Vergleich berücksichtigt werden. Eine Risikoadjustierung ist erforderlich, wenn sich der Patientenmix der zu vergleichenden Gruppen im Hinblick auf Risikofaktoren unterscheidet, die den Qualitätsendpunkt beeinflussen. Mögliche Ursachen für Unterschiede im Patientenmix sind Populationsunterschiede, Spezialisierung und Risikoselektion.

Eine Risikoadjustierung ist beim Vergleich medizinischer Versorgungseinrichtungen von besonderer Bedeutung. Adjustiert wird zumeist nach patientenseitig vorbestehenden Risikofaktoren wie Alter, Krankheitsschwere, Begleiterkrankungen oder Vorbehandlungen. Nicht adjustiert wird beim Qualitätsvergleich nach Faktoren, die durch die Einrichtung beeinflusst werden, da sie die zu messende Qualität der medizinischen Versorgung konstituieren. Das sind zum Beispiel der OP-Zeitpunkt, der verwendete Prothesentyp oder auftretende Komplikationen. Zu berücksichtigende Risikofaktoren werden nach der klinischen und prädiktiven Validität des Risikomodells ausgewählt.

Die am weitesten verbreiteten Verfahren der Risikoadjustierung sind Stratifizierung und Regressionsmodelle. Bei der Stratifizierung werden die Patientinnen und Patienten anhand eines Risikofaktors in Gruppen (Strata) unterteilt oder auch ausgeschlossen. Demgegenüber verbleiben bei der Regression alle Patienten in einer Gruppe, wobei aber nach dem Einfluss jedes Risikofaktors adjustiert wird. In der Regel liegen eine Vielzahl von Einflussfaktoren vor, sodass die Stratifizierung wegen der daraus resultierenden Vielzahl von Strata – zudem oft mit geringer Fallzahl – nicht mehr praktikabel ist.

Indikatorspezifische Adjustierungsmodelle setzt das WIdO zum Vergleich von stationärer Behandlungsqualität im Verfahren Qualitätssicherung mit Routinedaten ein. Auch für den Qualitätsvergleich von Pflegeheimen  werden im Projekt Qualitätsmessung in der Pflege mit Routinedaten (QMPR) Modelle zur Berücksichtigung der Risikostruktur der im Pflegeheim wohnenden Menschen entwickelt und angewendet.

Begleiterkrankungen mit Routinedaten berücksichtigen

Routinedaten aus der Abrechnung ambulanter oder stationärer Behandlungen beinhalten Angaben zum Alter und Geschlecht der behandelten Personen, zu behandlungsbedürftigen Erkrankungen und den durchgeführten Therapien. Besonders detailliert sind die Daten der Klinikabrechnung, die Haupt- und Nebendiagnosen, Operationen und Untersuchungen vermerken. Für die Adjustierung von Begleiterkrankungen mittels solcher stationärer Routinedaten greift das WIdO auf etablierte Komorbiditäts-Klassifikationen und -Indizes zurück und erweitert diese nach Bedarf. Die bekanntesten darunter sind die Elixhauser Conditions und der Charlson Comorbidity Index. In den Routinedaten von Krankenkassen können zusätzlich ambulante und stationäre Vorbehandlungen von der Indexbehandlung, deren Qualität verglichen werden soll, berücksichtigt werden. Dadurch ist eine noch detailliertere Abbildung der Risikosituation möglich. Die Grenzen der Risikoadjustierung mit Routinedaten sind erreicht, wenn Angaben zu relevanten Risikofaktoren wie zum Beispiel die Dauer zwischen Infarkt und Eintreffen in der Notaufnahme in den Routinedaten fehlen.

Erhöhtes Risiko für eine Revisionsoperation innerhalb eines Jahres nach Hüftgelenkersatz bei Arthrose bei Body-Mass-Index (BMI) über 30

Das Risiko für eine Revisionsoperation innerhalb eines Jahres nach Arthrose-bedingtem Hüftgelenkersatz erhöht sich je Adipositas-Grad. Menschen mit einem Adipositas-Grad I (BMI zwischen 30 und 34) haben ein 1,2-fach erhöhtes Risiko für eine Revisions-OP am ersetzten Hüftgelenk. Bei Grad II (BMI 35 bis 39) ist das Risiko 1,55-fach und bei Grad III (BMI über 40) 2,25-fach erhöht. Ausgewertet wurden 131.471 Hüftgelenkersatzoperationen bei AOK-Versicherten in den Jahren 2012 bis 2014.

Quelle: Jeschke E / Günster C: QSR-Indikatoren für Hüft-und Kniegelenkersatz bei Arthrose – 2016. Orthopädie und Unfallchirurgie – Mitteilungen und Nachrichten 2016, 608-609