Qualitätssicherung mit Routinedaten

In Deutschland finden pro Jahr fast 20 Millionen Krankenhausbehandlungen statt, rund 40 Prozent davon mit einem operativen Eingriff. Informationen zum Behandlungserfolg sind jedoch Mangelware. Denn meist geraten die Patientinnen und Patienten aus dem Blick der Qualitätsmessung, wenn sie das Krankenhaus verlassen. Das Ausmaß von Folgeeingriffen bleibt unbeachtet. Hier setzt das Verfahren Qualitätssicherung mit Routinedaten, kurz QSR an. Mit dem QSR-Verfahren lässt sich die Qualität von Krankenhausbehandlungen langfristig messen, indem der gesamte Behandlungsverlauf vor, während und nach dem Klinikaufenthalt analysiert wird. Hierfür werden Routinedaten der AOK aus der Abrechnung mit Kliniken, Ärztinnen und Ärzten und Apotheken verwendet. Diese Daten sind verschlüsselt und erlauben keinen Personenbezug. Neben Versichertenangaben fließen in die Qualitätsmessung damit Daten über die gesamte stationäre und ambulante Behandlung ein, ohne dass dafür zusätzlich dokumentiert werden muss.

Die Ergebnisse der QSR-Messung sind für Kliniken und Patienten relevant. Für die Kliniken und deren Qualitätsmanagement erstellt das WIdO eigene Klinikberichte. Patientinnen und Patienten können in der Krankenhaussuche im AOK-Gesundheitsnavigator ausgewählte Klinikergebnisse einsehen und bei der Klinikwahl berücksichtigen.

Entwicklung mit Kliniken für Kliniken und Patienten

Aufbauend auf internationalen Erfahrungen entwickelt das WIdO gemeinsam mit Klinikärztinnen und -ärzten Indikatoren für die Qualität von Krankenhausbehandlungen. Fachgruppen aus Bauchchirurgie, endokriner Chirurgie, Geburtshilfe und Neonatologie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kardiologie und Herzchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie sowie aus der Urologie legen die Indikatoren fest und adaptieren sie für die Anwendung auf Routinedaten. Die Definition einer indikatorspezifischen Risikoadjustierung zur Berücksichtigung der Schwere der therapierten Erkrankung, der Begleiterkrankungen und der Therapieform ist ein essentieller Bestandteil der indikatorgestützten Qualitätsvergleiche im QSR-Verfahren.

QSR basiert auf einer Forschungskooperation zwischen dem WIdO, dem Forschungs- und Entwicklungsinstitut für das Sozial- und Gesundheitswesen Sachsen-Anhalt, den Helios-Kliniken und dem AOK-Bundesverband in den Jahren 2002 bis 2007. In dieser Projektphase wurden Methoden der Datenvalidierung entwickelt und Konzepte für eine transparente Darstellung von Qualitätsergebnissen für Kliniken und Öffentlichkeit erstellt. Das Projekt zeigte, dass eine an Ergebnisqualität orientierte Qualitätsmessung in der stationären Versorgung möglich ist, die auf routinemäßig verfügbaren Abrechnungs- und Administrationsdaten der Krankenkassen und Kliniken basiert.

Qualitätsindikatoren mit Follow-up

Das QSR-Indikatorenset besteht aus rund hundert Indikatoren für mehr als 20 Leistungsbereiche. Es erfasst Komplikationen und andere unerwünschte Ereignisse während und nach dem Krankenhausaufenthalt. Dazu gehören Sterblichkeit, Reinterventionen und komplikationsbedingte Wiederaufnahmen bis zu einem Jahr nach dem Erstaufenthalt. Die Indikatordefinitionen sind auf der QSR-Website veröffentlicht.

Die Längsschnittanalyse der AOK-Routinedaten macht eine Nachbeobachtung der initialen Versorgungsleistung zu standardisierten Zeitpunkten nach Entlassung aus der Klinik möglich. Der Informationszugewinn durch Berücksichtigung des Follow-up aus dem Behandlungsverlauf ist erheblich und gewinnt angesichts kürzerer Liegedauern immer mehr an Bedeutung. So hat sich die Dauer des Klinikaufenthaltes zum Hüftgelenkersatz seit Anfang der 2000er-Jahre halbiert. Eine Qualitätsmessung allein aufgrund von Ereignissen im Erstaufenthalt blendet relevante adverse Effekte aus und hat nur eine geringe prognostische Aussagekraft für das Auftreten von Follow-up-Ereignissen.

Viele Komplikationen erst im Follow-up

Unter den zehn Qualitätsindikatoren aus den vier QSR-Leistungsbereichen Kniegelenkersatz bei Gonarthrose, Appendektomie, Prostataoperation bei benignem Prostatasyndrom (PBS) und PCI bei Patienten mit Herzinfarkt betrug der Anteil von Komplikationen, die erst nach Entlassung aus dem initialen Klinikaufenthalt behandelt wurden, zwischen 7,7 und 92,6 Prozent. Ihr Anteil war am höchsten bei den Revisionsoperationen nach Gonarthrose-bedingtem Kniegelenkersatz: Im Erstaufenthalt fand bei 0,29 Prozent aller Operierten ein Revisionseingriff statt; nach Entlassung wurden weitere 3,63 Prozent der Patienten erneut aufgenommen und am Gelenk operiert. Datengrundlage waren AOK-Routinedaten von insgesamt 409.774 AOK-Behandlungsfällen aus den Jahren 2010 bis 2012.